Sardiniens Schlaraffenland: Der Mercato di San Benedetto
Welcher passionierte Italienurlauber kennt nicht das bedrückende Gefühl, das sich einstellt, wenn man nach dem Urlaub im Lieblingsland erstmals wieder einen deutschen Supermarkt betritt? Alles ist steril verpackt, Obst und Gemüse kommen zumeist von weither, an der Fischtheke, wenn es denn eine gibt, wird Aufgetautes angeboten und an der Käsetheke Pasteurisiertes. Spätestens jetzt hat einen der graue Alltag wieder und man versucht, nicht an ihn zu denken, diesen einen schönen Markt da am Urlaubsort, eine Symphonie aus Farben, Formen und verlockenden Düften, die frischen Früchte aus lokalem Anbau, den Hirtenkäse, den fangfrischen Fisch…
Ja, Italiens Märkte sind zu Recht weltberühmt. Aber wer würde schon vermuten, dass der italienische Markt der Superlative nicht etwa in Mailand, Rom, Neapel oder Palermo, sondern ausgerechnet in der vergleichsweise kleinen sardischen Hauptstadt Cagliari beheimatet ist? Mit einer Größe von 8.000 Quadratmetern, die sich auf zwei Etagen verteilen, ist der am 1. Juni 1952 eigeweihte Mercato di San Benedetto nicht nur die größte städtische Markthalle Italiens, sondern zugleich die bedeutendste in ganz Europa. Das sieht man ihr von außen nicht unbedingt an. Der nüchterne Zweckbau im Stil der 50er Jahre lässt die geradezu barocke Fülle, die einen in seinem Inneren erwartet, nicht erahnen.
Guiseppe Arcimboldo, Vertumnus, Public Domain
Betritt man aber die im Sommer angenehm kühlen Hallen, weiß man kaum, wo man zuerst hinsehen soll. Die Tische der 68 Obst-und Gemüsehändler biegen sich förmlich unter den kunstvoll aufgetürmten Früchten der Saison, frisch geerntet in Ilisu, Sestu und Oristano. (Wer Ende Juni den Markt besucht, sollte unbedingt nach den köstlichen Camusina-Birnen Ausschau halten, einer genuin sardischen Birnensorte.) Nicht weniger als 58 Metzger bieten Schlachtfrisches feil; sie sind alle auf bestimmte Fleischsorten spezialisiert, sei es Rind, Schwein, Pferd, Geflügel oder Innereien. An den Käseständen kann man Spezialitäten erwerben, auf die die sardischen Hirten und Käsereien zu Recht stolz sind. Natürlich sind auch Bäcker in der Halle vertreten, bei denen man unter anderem das von mir bereits andernorts beschriebene sardische Hirtenbrot, das Pane Carasau, kaufen kann.
Die größte Sensation des Mercato di Benedetto aber befindet sich im Untergeschoss. Auf derselben Fläche wie im Obergeschoss wird hier an 75 Ständen ausschließlich Fisch angeboten. Und was für Fisch! Meeräschen, Meerbarben, Brassen, Seebarsche, Austern aus Ogliastra, die berühmten Miesmuscheln aus Olbia und Oristano, Forellen aus dem Süden und Lachs aus dem Norden der Insel. Und natürlich gibt es auch hier die berühmte sardische Spezialität Bottarga (ich erwähnte sie hier), den gesalzenen und getrockneten Rogen der Meeräsche, der schlichte Pasta in eine unvergleichliche Delikatesse verwandelt. Glücklich, wer eine Ferienwohnung gemietet hat und sich auf dem Markt – zu übrigens unglaublich günstigen Preisen – mit den Zutaten für ein opulentes Abendessen eindecken kann! Aber egal ob Haus- oder Hotelbewohner, spätestens nach dem Rundgang durch das Fischparadies hat sicher jeder Appetit bekommen. Wie gut, dass es seit einiger Zeit ein paar Stände gibt, die ein köstliches Fritto Misto – frittiertes, gemischtes Meeresgetier – direkt auf die Hand verkaufen. Und spätestens, wenn man sich diese Köstlichkeit zu Gemüte führt, sind Germania und seine Supermärkte ganz weit weg.
Mit einem sardischen „Adiosu“ verabschiedet sich für heute
Ihr Joachim Waßmann
P. s: Der Mercato di San Benedetto befindet sich in der Via Francesco Cocco Ortu 46 und ist von Montags bis Freitags von 7-14 Uhr geöffnet, Samstags bis 15 Uhr. Wer den besten Fisch kaufen oder auch nur bestaunen will, sollte so früh wie möglich dort sein.
(Beitragsbild: Michelangelo Merisi da Caravaggio, Stilleben mit Früchten, um 1603. Public Domain.)