Iglesias – Perle des "Erzgebirges"

Unweit der Südwestküste Sardiniens versteckt sich ein echter Geheimtipp: Das Städtchen Iglesias. Nun werden Sie sich zu Recht fragen, weshalb eine sardische Ortschaft einen solchen Namen trägt. Sind die 30.000 Iglesianer vielleicht allesamt glühende Fans des spanischen Schlagerbarden?

Die Antwort mag manche enttäuschen, andere freuen, denn wer nach Iglesias kommt, den erwartet keine Dauerbeschallung mit schmelzenden Tenorgesängen, und auch Julio-Wandgemälde wird man vergeblich suchen. Die Antwort liegt in den Tiefen der Vergangenheit, genauer: im Jahr 1324. Damals fiel Sardinien an die Aragonier, und Iglesias, das damals noch Villa di Chiesa hieß, wurde nach siebenmonatiger Belagerung als erste der sardischen Städte von den Spaniern erobert und bald darauf umbenannt.

Sowohl der italienische als auch der spanische Name verweisen jedoch auf eine Besonderheit von Iglesias, nämlich die relative Vielzahl von Kirchen. Von ursprünglich achtzehn Gotteshäusern sind heute noch zwölf erhalten. Die älteste von ihnen ist die byzantinische Kirche San Salvatore aus dem 9. Jahrhundert, der Zeit der Stadtgründung. Der bedeutendste Sakralbau ist die romanisch-gotische Kathedrale Santa Chiara, die zwischen 1285 und 1288 erbaut wurde. Liebhaber barocker Kirchenbauten kommen in der Jesuitenkriche Vergine Purissima mit ihrem stattlichen Hochaltar aus Marmor auf ihre Kosten. Aber auch sonst lohnt die hübsche Altstadt mit ihren kleinen Läden und netten Cafés einen Besuch. An den Rändern der Altstadt kann man noch heute Teile der Stadtmauer bestaunen, die seinerzeit monatelang den spanischen Eroberern trotzte. Ebenfalls an kriegerische Zeiten erinnert das auf einem Hügel gelegene Castello de Salvaterra, von dem aus man einen schönen Rundumblick genießen kann.

Was aber hat es mit dem Erzgebirge aus der Artikelüberschrift auf sich? Nun, das umgebende Iglesiente – die Gebirgslandschaft, der Iglesias ihren Namen gab – ist, oder besser gesagt, war ungeheuer reich an Bodenschätzen. Phönizier, Punier, Römer, Pisaner und Spanier bauten in den Bergen Silber, Blei, Zink, Kupfer, Eisen und Kohle ab. Die Silberminen galten ab dem 15. Jahrhundert als erschöpft, doch noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden andere Erze und Kohle abgebaut, bis auch das sich nicht mehr lohnte. Was blieb, sind stillgelegte Bergwerke und imposante Industriebauten, die Teil des von der UNESCO anerkannten Geologie- und Bergbauparks Sardinien sind. Hier kann man unter anderem das Bergwerk von Monteponi oder das Geisterdorf Nebida besichtigen, in dem noch bis 1910 dreitausend Menschen lebten. Für mich hat diese Landschaft einen ganz besonderen Reiz, auch wenn er sich manchem vielleicht nicht auf den ersten Blick erschließt.

Aber auch auf konsensfähigere landschaftliche Schönheiten muss man im Inglesiente nicht verzichten. Die steile Felsküste mit einer Vielzahl von kleinen Buchten und dem langen Strand von Porto Paglia ist hier atemberaubend schön und hat mit der kleinen Felsinsel Pan di Zucchero, einem Naturdenkmal, ihr eigenes Wahrzeichen.

Mit einem sardischen „Adiosu“ verabschiedet sich für heute

Ihr Joachim Waßmann

 

Abbildungen: Häuser in der Altstadt von Iglesias, Bild von Stephanie Albert auf Pixabay

Mura Iglesias, Bild von Gaius Crastinus, Creative Commons

Pan di Zucchero, Bild von Gianderiu, Creative Commons