Alle Jahre wieder: Weihnachten auf Sardinien
Meine treuen Leser wissen es bereits: Ich liebe Sardinien, auch und gerade zur Weihnachtszeit. Sicher, die vielbesungene weiße Weihnacht wird einem hier nicht beschert, wenn man sich nicht gerade in Sardiniens einziges Skigebiet auf dem Bruncu Spina begibt. Aber das ist in weiten Teilen Deutschlands zumeist nicht anders.
Dafür gibt es hier die weihnachtlichen Zitrusfrüchte wie Orangen und Mandarinen direkt vom Baum und den betörenden Duft der Blüten gleich dazu, denn Zitrusbäume können beides zugleich – blühen und Früchte tragen. Die Temperaturen sind mit 14 bis 16 Grad angenehm mild, auch wenn wohl nur ganz Hartgesottene zu dieser Jahreszeit ein Bad im Meer wagen werden. Und die Tage sind immerhin eineinhalb Stunden länger als bei uns im grimmigen Norden. Alle, denen im heimischen Winter vor allem die Dunkelheit zusetzt, werden das zu schätzen wissen.
Die italienische Auffassung von Weihnachten, dessen sollte man sich allerdings bewusst sein, unterscheidet sich von der deutschen Tradition. Besinnlichkeit ist hier im wahrsten Sinne ein Fremdwort, es geht bunt, laut und fröhlich zu. Natürlich hindert das den Urlauber nicht, Weihnachten still und feierlich zu begehen, vor allem, wenn man ein Ferienhaus gemietet hat. Die Sarden versammeln sich derweil am Heiligabend zu einem großen Festessen im Familienkreis. In der Vergangenheit war dies eine der seltenen Gelegenheiten im Jahreslauf, zu denen sich der Tisch unter Brot, Fleisch, Käse und süßem Gebäck bog, denn der Alltag der Sarden war hart, das Essen karg.
Eine spezifisch sardische Weihnachtstradition ist der große Holzscheit, „su truncu ‚e xena“, der am Heiligabend (sa notte ‚e xena, sinngemäß: der Abend des Festessens ) entzündet wird. Brennt er bis zum kommenden Morgen, gilt dies als gutes Omen. Dieser Brauch hat seinen Ursprung in heidnischen Feuerritualen, und noch heute sitzen sardische Familien am Weihnachtsabend um den Kamin. Kinder, die an Heiligabend zur Welt kommen, sind besonders vor Unglück und Krankheit geschützt, so glaubt man in Sardinien. Alle sardischen Kinder jedoch sind am Weihnachtsmorgen glücklich, denn dann findet hier wie im übrigen Italien die Bescherung statt. Es folgt ein weiteres Festmahl, und auch am zweiten Weihnachtsfeiertag wird ausgiebig geschlemmt. Angesichts der wunderbaren einheimischen Köstlichkeiten, die man auf der gesamten Insel kaufen kann, sollte es unseren Ferienhausbewohnern aus dem fernen Germanien nicht schwer fallen, zumindest in diesen Punkten mit der sardischen Weihnachtstradition Schritt zu halten.
Sollten Sie übrigens zu jenen gehören, die dem Weihnachtsfest mit gemischten Gefühlen entgegen sehen, weil Sie immer noch kein Geschenk für den oder die Sardinienliebhaber/in in Ihrem Leben haben, möchte ich Ihnen mein Buch „Sardinien. Hirt und Herde, Protz und Promi – Pole einer archaischen Insel“ ans Herz legen (erhältlich zum Beispiel hier sowie in jeder gut sortierten Buchhandlung). Darin finden Sie Kurioses, Lustiges und Lehrreiches aus meinen über 50 Jahren Sardinienerfahrung und viele prachtvolle Fotos, die garantiert Fernweh machen – nicht nur zur Weihnachtszeit.
Mit einem sardischen „Bonu Nadale“ und den besten Wünschen für 2020 verabschiedet sich für heute
Ihr Joachim Waßmann
(Beitragsbild: renato agostini, Creative Commons )